Geschichte

Von Sonja Victoria Werner

Einleitung

Um die Gründung des Klosters Namen Jesu zu verstehen müssen wir ins 16. Jahrhundert schauen. Ins 17. Jahrhundert fallen die Gründung der Klostergemeinschaft, der Klosterbau, der Kirchenbau, die Einführung der Klausur und der Anbau West 1660. Anschliessend folgten 100 relativ ruhige Jahre. Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde geprägt von der roten Ruhr, der 1. Inventur, der Dachstocksanierung und dem Franzoseneinfall. Ins 19. Jahrhundert fallen – nach der Rückkehr ins Kloster mit der Gründung der Schule für arme Mädchen – der Türmlibrand, die 2. Inventur und die danach auferlegten übermässigen Steuern.Das 20. Jahrhundert ist geprägt von grossen Veränderungen, die Neuerungen nach dem 2. Vatikanum, die Lockerung der Klausur, Aufgabe der Landwirtschaft und der Schule, Gründung und Aufgabe der Herstellung von Naturheilmitteln. Im 21. Jahrhundert im Hinblick auf die gravierende Überalterung wurden um die Jahrtausendwende am Klostergebäude diverse bauliche Anpassungen vorgenommen (z. B. Lifteinbau).

Quellen: Klosterchroniken und viele weitere Dokumente im Klosterarchiv. Zusammengestellt von Sonja Victoria Werner.

16. Jahrhundert

Der grosse Umbruch vom Mittelalter zur Neuzeit, die anfangs des 16. Jahrhunderts erfolgte Glaubensspaltung, (Reformation) und das Tridentinisches Konziel, lössten die Pfanneregger Reform aus. Dies hatte auch Einfluss auch auf das Leben der Beginen in Solothurn.

Der grosse Umbruch vom Mittelalter zur Neuzeit

Der unmittelbare Kontakt mit Nahost durch die christlich- orthodoxen Flüchtlinge aus dem untergehenden oströmischen Reich, die Wiederentdeckung der antiken griechisch-römischen Kultur, die Bedrohung durch den im Balkan vorrückenden Islam, die Entdeckung Amerikas, der wissenschaftliche Beweis, dass die Erde – eine Kugel – sich um die Sonne dreht und nicht der ruhende Mittelpunkt der ganzen Schöpfung ist, die Erfindung des Buchdrucks, der sittliche Zerfall von Klerus und Ordensleuten, weil ihre bisherige Spiritualität und Glaubensvorstellungen durch all dies ins Wanken geraten waren, das verursachte in kurzer Zeit einen gewaltigen geistigen Umbruch. Der folgenschwerste war die Glaubensspaltung mit dem ganzen Gefolge an politischen und sozialen Unruhen und Kriegen.

Tridentinisches Konzil

Durch das Konzil von Trient von 1545-1563 (mit mehrjährigen Unterbrüchen) strebte die römisch-katholische Kirche eine Gegenreformation an. Ziel dieses italienisch übervertretenen Konzils war:

  • Klärung von Glaubensfragen, fürs Kirchenvolk durch den Grundsatz: Glauben heisst, alles für wahr halten, was die Kirche zu glauben vorstellt.
  • Die guten Sitten im Klerus aller Rangstufen sollen wieder hergestellt werden durch eine klare, stramme Organisation. Die Bischöfe müssen ihre Priester besser ausbilden, motivieren und kontrollieren. Der Papst überwacht direkt oder durch seine Legaten (Nuntien) die Bischöfe und die Bischofswahlen.
  • Erneuerung der Klöster durch strenge Klausurvorschriften und die Verpflichtung täglich gemeinsam das 3-4 Stunden dauernde Breviergebet zu verrichten auf Lateinisch. Dieses sich auf verschiedene Tageszeiten verteilende Gebet besteht aus Psalmen, Schriftlesungen und weitern Gebeten.

Auch teilweise Unterlassung des Stundengebetes oder selbst geringfügige Verletzungen der Klausur konnten Schuldige nur durch Reue, Beichte und Busse vor ewiger Verdammnis retten.

Daher konnte die Kirche Beginen und Waldschwestern nicht mehr dulden. Diese religiösen Frauengemeinschaften ohne Gelübde, ohne Klausur und ohne fest vorgeschriebenes Gebetspensum sollten in Nonnenklöster umgewandelt werden, wie es die Waldsschwestergemeinschaft des Klosters Pfanneregg von sich aus, aus einem spirituellen Aufbruch, getan hatte.

Die Pfanneregger Reform

Nicht nur in den Städten, auch auf dem Land gab es seit dem 14. Jahrhundert Beginen-Sammlungen, besonders in der Ostschweiz. Man nannte sie Waldschwestern, denn sie wohnten abseits der Dörfer als Eremitinnen-Gemeinschaften. Aus selbst gesammelten Pflanzen stellten sie Salben und Tinkturen her für Mensch und Vieh.

Eines dieser Waldschwestern-Klöster war Pfanneregg ob Wattwil. Die einst blühende Klostergemeinschaft geriet durch die Reformation in eine schwere Krise. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts zählte sie noch acht Nonnen. Die pilgerten im Herbst 1588 zur Kirchweih nach Einsiedeln. Die Oberin dieser kleinen Schwesterngruppe Elisabeth Spitzlin ging zur Beichte, aus Neugier zu einem sonderbaren Mönch mit einer groben braunen, durch einen Strick zusammengehaltenen Kutte. Der fragte sie, ob sie einem Orden angehöre. – Ja, dem dritten Orden des hl. Franziskus. Nun redete dieser Kapuziner, Pater Ludwig, Schwester Elisabeth freundlich, aber eindringlich ins Gewissen: Das Ordensleben, das sie führe, sei etwas und nichts. Sie möge in sich gehen und arm und bescheiden wie Franziskus dem armen Jesus nachfolgen. Diese Worte machten ihr um so mehr Eindruck, als sie erfuhr, dieser P. Ludwig sei Konvertit und Sohn des herzoglichen Kanzlers von Sachsen. Als ein gewandelter Mensch kehrte sie nach Pfanneregg zurück.

Bei den Anfangsschwierigkeiten ihrer Bekehrung und der ihrer Mitschwestern half P. Ludwig durch Briefe, die sogenannten Sendschreiben. Ihre neue Tracht und Lebensweise zog junge Mädchen an. Das alte Kloster füllte sich wieder.

Da der Nuntius da und dort seine Informanden hatte, erfuhr er von der Bekehrung der Waldschwestern von Pfanneregg. Um die Luzerner Beginen im Sinn des Konzils von Trient in Nonnen zu verwandeln, schlug der Nuntius der Luzerner Regierung vor, einige Schwestern von Pfanneregg kommen zu lassen. An sich hatten die Luzerner nichts gegen die Beginen und ihre Lebensweise. Aber als katholische, reformbereite Stadt und Residenz des Nuntius ging man auf seinen Wunsch ein. So entstand 1597 aus der Beginensammnung St. Anna im Bruch ein Kapuzinerinnenkloster.

1609 sollten die Solothurner Beginen auch zu Nonnen gemacht werden.

Die Beginen

Woher der Name dieser Bewegung kommt, ist unklar. Sie entstand im 12. Jahrhundert in den Niederlanden. Zu ihrem gegenseitigen Schutz und aus wirtschaftlichen Überlegungen schlossen sich alleinstehende Frauen zu Wohngemeinschaften (Sammlungen) zusammen. Ihr christlicher Glaube erleichterte das Zusammenleben. Die Nachfolge des armen Jesus gab der Einzelnen Halt und der Gemeinschaft Zusammenhalt. Sie verdienten sich ihren Lebensunterhalt mit Spinnen, z.T. auch Weben, mit Krankenpflege und dem Gebet für die Verstorbenen. Sie erfüllten in den aufstrebenden Städten eine wichtige soziale Funktion. Es war eine nützlich Versorgung alleinstehender Frauen mit caritativer Tätigkeit. Sie lebten unter der Leitung einer von ihnen gewählten Hausmutter. Gelübde legten sie keine ab. So kam es gelegentlich vor, dass ein Witwer eine Begine heiratete. Das war durchaus legal. Die Beginen verrichteten auch nicht wie die Nonnen das damals täglich rund 4 Stunden beanspruchende lateinische Stundengebet.

Im 14. Jahrhundert wurden die Beginen für kurze Zeit unterdrückt oder ihre Niederlassungen gar aufgehoben. Der Druck kam einesteils von den Zünften, aus wirtschaftlicher Konkurrenz – aber vor allem von der Kirche: Diese Frauen waren zu selbständig ohne männliche Oberaufsicht. Dies Problem wurde gelöst, indem die verschiedenen Beginen-Sammnungen sich einer Drittordensregel und dadurch dem Franziskaner- oder Dominikanerorden unterstellten. Die Solothurner Beginen schlossen sich dem franziskanischen Drittorden an. Die Franziskaner oder Barfüsser hatten als Beichtvater und Visitatoren (Supervisor) nun eine Kontrolle über die Beginen, umso mehr als diese in Solothurn im Haus zum Lämmlein gleich gegenüber der Franziskanerkirche wohnten, schriftlich belegt seit 1345.

Ins 17. Jahrhundert fallen die Gründung der Klostergemeinschaft Namen Jesu und der Streit mit den Beginen, der Klosterbau, der Kirchenbau, die Einführung der Klausur, die negativen Folgen des 30-jährigen Krieges, der Bau der Loretokapelle (Loreto), der Bau der Klöster Visitation und St. Josef und der Anbau West. Wichtig als Ernährungsgrundlage waren die Bodenzinsen. Von 1660–1760 folgten für das Kloster die einzigen relativ ruhige 100 Jahre.

Gründung der Schwesterngemeinschaft Namen Jesu

Um die Beginen-Sammlung in Solothurn im Sinn des tridentinischen Konzils zu reformieren, kamen am 1. Mai 1609 auf Wunsch des damaligen Nuntius in Luzern, Ladislao von Aquino, Schwester Elisabeth Spitzlin mit zwei Mischwestern aus dem Kloster Pfanneregg nach Solothurn. Der Chorherr des Stifts St. Ursen, Gregorius Pfau, aus Baden gebürtig, sollte diesen Reformprozess geistig betreuen.Die Solothurner Beginen im Haus zum Lämmlein gegenüber der Franziskaner Kirche hatten sich anfangs 1609 zur geplanten Neuerung bereit erklärt. Doch als sie nach Ankunft der Pfanneregger Nonnen begriffen, dass sie:

  • nicht mehr frei in der Stadt umhergehen sollten,
  • sich durch feierliche Gelübde für immer zu einem Leben in gänzlicher persönlicher Besitzlosigkeit, keuscher Ehelosigkeit und strengem Gehorsam verpflichten mussten und
  • täglich auf 7 Gebetszeiten verteilt das lange lateinische Stundengebet rezitieren sollten, lehnten sie eine solche Reform energisch ab – bis auf eine einzige.

Nach kurzer Zeit jagten die Beginen die drei Pfanneregger Schwestern und ihre ungetreue Gefährtin aus dem Haus. Die Weggewiesenen mieteten schliesslich ein Haus an der Hintern Gasse als provisorisches Kloster. Denn rasch fanden sich einige junge Mädchen, die sich den „reformierten“ Schwestern anschliessen wollten. Vermutlich zog sie die unbürgerliche Strenge und die radikale Hingabe an ein gottverbundenes Leben an.

Die Bevölkerung der Stadt Solothurn war gespalten. Die einen hielten treu zu den nützlichen und seit alters gewohnten Beginen. Geistig unterstützt wurden die Beginen von den ebenfalls alt eingesessenen Franziskanern, besonders vom Regionalobern Bishalm. Manche Mitglieder der Solothurner Regierung fanden es angemessener, die Reformbestrebungen des Konzils von Trient zu unterstützen. Der geistliche Führer der „reformierten Schwestern“ war der dazu offiziell beauftragte Gregorius Pfau, bestärkt von den Kapuzinern, ein Reformorden der Franziskaner. Sie hatten seit einigen Jahren ebenfalls ein Kloster in Solothurn. Die Auseinandersetzung ging so weit, dass jede Partei eine Delegation zum Papst nach Rom schickte. Im Grund ging es ja nicht nur um die verschiedene Lebensweise von zwei frommen Frauengemeinschaften, sondern um politische und weltanschauliche Meinungsverschiedenheiten, Der Konflikt wurde vorläufig durch einen Kompromiss beigelegt: Die Beginen sollten unter Leitung der Franziskaner ihr bisheriges Leben fortführen, aber keine Neuen mehr aufnehmen, ausgenommen vielleicht Witwen. Und die junge Gemeinschaft der Kapuzinerinnen durfte aus den eingebrachten Mitgiften vor der Stadt draussen ein Kloster bauen.

Bau des Klosters 1615/16

1615 zählte die neue Ordensgemeinschaft 11 Schwestern mit Gelübden auf Lebenszeit, vier Novizinnen und etliche Ordensaspirantinnen. Vor Ablegung der Gelübde mussten die Eltern der Klostergemeinschaft für ihre Tochter eine Mitgift bezahlen. Das war wie der Einkauf in eine Pensionskasse auf Lebenszeit. Auch bei einer Heirat hätten die Eltern als finanzielle Grundlage der Tochter eine Mitgift geben müssen. Der Klostereintritt kam billiger. Dank den Mitgift-Kapitalien konnte man nun an den Bau eines Klosters denken.

Der kirchlich beauftragte Leiter der jungen Schwesterngemeinschaft, der Chorherr Gregorius Pfau, und der Guardian (=Obere) des Kapuzinerklosters suchten einen geeigneten Bauplatz vor den Stadtmauern. Sie wählten einen Platz zwischen Herrenweg und Unterer Steingrubenstrasse:

  • Weil das Wasser einer nahen Quelle leicht herzuleiten war und das Bauland westlich an den Stadtbach grenzte.
  • Wegen „des gesunden subtilen Luftes“. Offenbar war auch ohne Autos die Luft in den Stadtgassen nicht immer so frisch.
  • Weil der Ort nah genug der Stadt sei, um notfalls dorthin fliehen zu können, andererseits „allem Tumult der Landstrassen und weltlichen Spielplätzen fern“ und das Gerumpel der Karren vom nahen Steinbruch her nur tagsüber zu hören sei.
  • Das neue Kloster liege so am Weg, wenn „das gemeine Volk, sonderlich das weibliche Geschlecht zu den Vätteren Kapuzinern, nach Oberdorf, Sankt Verena, zum Berg Calvaria (= Kreuzen) und Sankt Niclaus wallfahre“.

Am 12. August 1615 wurde zwischen dem tüchtigen Baumeister Gregorio Büenckher und vier „edlen, ehrennotfesten, vornehmen und weisen“ Vertretern der Solothurner Regierung der Bauvertrag für das zu errichtende Kloster abgeschlossen.Den Bauplan hatte der Kapuzinerobere entworfen, zu zahlen hatten die Nonnen.

Im selben Herbst wurden die Baugruben ausgehoben und Kalk gebrannt. Den brauchte man im nächsten Jahr für Mörtel und Verputz.

Die Stadt Solothurn und das Land links der Aare gehörte damals zum Bistum Lausanne. Da dessen Bischof Johann von Wattenwyl gerade in der Nähe weilte, legte und segnete er am 10. Dezember 1615 den Grundstein zum Kloster.

Am 18. April 1616 begann der Bau: ein Gebäudegeviert um einen kleinen Innenhof, Erdgeschoss und 1. Stock mit dicken Bruchsteinmauern, darüber ein geräumiger Dachstock, aber noch ohne Kirche. Am 3. November 1616 war das Kloster bezugsbereit. Eine unglaubliche Leistung! Freilich waren im Haus keine Leitungen zu verlegen, auch keine Wasserleitungen. Im Freien draussen vor der Küche war ein immer fliessender Brunnen.

Leider konnten die Schwestern noch nicht in ihr neues Kloster einziehen. Es drohte Krieg durch den sogenannten Neuenburger Handel. Erst als der Zwist 1618 gütlich geregelt war, sind die Nonnen mit ihrem „Armütlein“ (dem bescheidenen Hausrat) glücklich ins neue Kloster eingezogen. Zur grössern Sicherheit der Schwestern waren alle Fenster im Erdgeschoss solid vergittert.

Der Kirchenbau

Im Frühling 1618 begann der selbe tüchtige Baumeister Gregorius Büenckher mit dem Bau der Klosterkirche und kam mit rund 20 Werkleuten zügig voran, denn die Kirche sollte bis im Herbst fertig werden. Zu gleicher Zeit liess der französische Gesandte in seinem Haus bei der nördlichen Stadtmauer den Weinkeller vergrössern. Am 15. Juni mittags um eins stürzte zum Schrecken der ganzen Stadt dort die Stadtmauer ein. Nun mussten alle Bauarbeiter der Stadt und Umgebung an der Wiederherstellung der Stadtmauer arbeiten. So stand der bis auf Fensterhöhe aufgeführte Bau der Klosterkirche bis zum Frühjahr 1619 still. Als Entschädigung versprach der französische Ambassador den Schwestern, ihnen das Bild für den Hauptaltar zu stiften. Er gab dem geschickten Fribourger Maler Pierre Wuilleret den Auftrag.

Am 4. November 1619 war auch der Dachdecker mit seiner Arbeit am mächtigen Kirchendach fertig. Im Frühjahr 1620 wurde noch ein kleiner Turm mit Glocke aufgerichtet.

Weil der Bischof von Lausanne nicht allein wegen dieser Kirchweihe eine mehrtägige Reise unternehmen konnte, wurde sie Ende August 1620 provisorisch von Gregorius Pfau eingeweiht. Der französische Gesandte, Ratsherren und viel neugierige Gläubige füllten die gut 150 Menschen fassende Kirche. Am andern Tag wurden fünf junge Mädchen feierlich in den Orden aufgenommen, darunter Cäcilia Grim, die später als tüchtige Oberin das Kloster leitete und es mit Geduld, Geschick und Hartnäckigkeit aus finanziellen Schwierigkeiten herausführte. Reich wurde das Kloster aber nicht, besonders wegen der stark steigenden Lebenskosten während des Dreissigjährigen Krieges.

Die Folgen des Dreissigjährigen Kriegs

Obwohl Solothurn und die Eidgenossenschaft nicht in den Krieg verwickelt wurden, spürte die Klostergemeinschaft vom Namen Jesu doch manches seiner verheerenden Folgen: eine starke Teuerung, vor allem der Lebensmittel.

Mehrere Schwestern stammten aus Delsberg. 1637 überfielen protestantische Söldner aus Weimar das friedliche, damals noch zum Fürstbistum Basel gehörende Städtchen und plünderten es aus. Dazu brachten sie die „Pest“, vielleicht die Lungenpest oder sonst eine lebensgefährliche Epidemie. Schwester Genoveva Kaufmann (Marchand) verlor dadurch alle ihre Angehörigen. Ihr nun verlassenes Elternhaus wurde total ausgeplündert: „Türen, Fenster. Getäfer, selbst die Oefen herausgerissen.“

Eine Folge war auch der Bau der Loretokapelle (Loreto).

Die Loretokapelle

Nach mündlicher Überlieferung im Kloster gelobte der Solothurner Schultheiss Johann Schwaller auf seine Kosten eine kleine Marienkapelle zu bauen, wenn Solothurn von Pest und Krieg verschont bleibe. Sofort nach Friedensschluss 1648 schickte er einen Eremitenbruder nach Loreto bei Ancona. Dieser musste eine Kopie der schwarzen Madonna mit Kind und genaue Pläne der kleinen Gnadenkapelle in der grossen Wallfahrtskirche beschaffen. Nach einer Legende handelte es sich in Ancona um das kleine Haus, in dem Jesus mit Maria und Joseph in Nazareth gewohnt hatte. Engel hätten es, entsprechend dem Vorrücken des Islam, etappenweise von Palästina über den Balkan bis nach Loreto in Italien gebracht.

Das Kloster Namen Jesu besass – ausserhalb der Klausurmauern – jenseits von Stadtbach und der Unterer Steingrubenstrasse ein Stück Wies- und Ackerland mit einem sonderbaren kleinen Hügel etwa 8 x 16 m und 2 m hoch, wie geschaffen um darauf eine kleine Kapelle zur Geltung zu bringen. Schultheiss Schwaller bat die Schwestern, ihm das Hügelchen zum Kapellenbau zur Verfügung zu stellen, er schenke ihnen dann die Kapelle. Die Schwestern waren freudig einverstanden, nicht ahnend, dass ihnen dies manche Sorge bringen sollte.

An den Fuss des Kapellenhügels wurde nördlich ein Eremitenhäuschen gebaut, vermutlich eine Verlegenheitslösung, um den Eingang eines in den Kapellenhügel führenden unterirdischen Ganges zu schliessen, auf den man beim Bau gestossen war.

Die Loretokapelle mit Eremitenhäuschen stehen jetzt noch – unter Ortsbildschutz – auf dem unüberbauten Land zwischen Grenchenstrasse und Unterer Steingrubenstrasse. Tagsüber ist die Kapelle meist offen zu stiller Einkehr.

Das Kloster Vistation

1645 kamen aus der Franche Comté und dem nahen Basler Fürstbistum Flüchtlinge nach Solothurn, darunter auch einige Schwestern des Visitandinnen Ordens, meist Französinnen. Sie baten um Asyl, das ihnen die Stadt vorläufig gewährte. Doch bald begehrten sie, sich dauernd in Solothurn als klösterliche Gemeinschaft niederzulassen, unterstützt vom französischen Ambassador und dessen Gattin. Da die Visitandinnen versprachen, eine in französischer Sprache geführte Schule für die Töchterchen aus bessern Familien zu führen, ging man schliesslich auf ihr Gesuch ein. Dabei spielte wohl die Politik eine grössere Rolle als die Frömmigkeit, dazu noch eine praktische Überlegung:
Die Visitandinnen hatte eine weit mildere Ordensregel als die Kapuzinerinnen vom Namen Jesu: kein mitternächtliches Gebet, weniger strenge und lange Fastenzeiten, auch Witwen konnten in den Orden eintreten. Zwischen den beiden, benachbarten Klöstern bestand ein gutes Verhältnis. Und die Visitandinnen nahmen die vertriebenen Namen Jesu Schwestern von 1799-1802 freundlich in ihrem Kloster auf, obwohl im Kloster Visitation bis um die Mitte des 20. Jh. Französisch Umgangs- und Gebetssprache war.

Das Kloster St. Josef

Nachdem die Beginen zwischen 1609-1615 sich energisch geweigert hatten, Nonnen zu werden, trafen Kirche und Stadt einen Kompromiss. Die Beginen durften weiter leben wie bisher, sollten aber keine neuen aufnehmen ausser Witwen. Auf Drängen der Kirche ging man schliesslich daran, für sie ein Kloster zu bauen auf einem grossen geschenkten Grundstück ausserhalb des Baseltors. Mit dem Bau liess man sich etliche Jahre Zeit. 1544 zogen die Beginen aus wohlhabenden Solothurner Familien, die fliessend lesen konnten, ins neue Kloster ein. Denn sie sollten wie die Schwestern vom Namen Jesu das grosse Stundengebet verrichten und nun nach den Vorschriften des Konzils von Trient innerhalb ihres sehr grossen Klausurbezirks leben, geistlich betreut von den Franziskanern. Darum nannten sie sich nun Franziskanerinnen. Die Namen Jesu Schwestern waren spirituell von den Kapuzinern geprägt und nannten sich später Kapuzinerinnen.

Die Beginen, die kaum oder gar nicht lesen konnten, liess man im Frieden aussterben.

Zwischen den Klöstern St. Joseph und Namen Jesu herrschte ein kühles Verhältnis, bis um die Mitte des 20. Jahrhunderts zwei Geschwister Oberinnen waren: Sr. Margareta Born war Frau Mutter zu St. Joseph und Sr. Hyacintha Born zu Namen Jesu.

Anfangs des 21. Jahrhunderts fanden 2 Schwestern aus der wegen Überalterung aufgelösten Gemeinschaft von St. Josef freundliche Aufnahne im Kloster Namen Jesu.

1660, der Anbau West

1660 baute das Kloster an der Westseite einen Trakt an. Der Estrich wurde zur Lagerung des abgelieferten Bodenzins-Getreides eingerichtet mit Kornschütten zum fertig Austrocknen der Körner.

Im 1. Stock nördlich gegen den Herrenweg gab es weitere Sprech- und Gastzimmer wohl für auswärtige Eltern, die alle 10 – 20 Jahre einmal ihre Tochter im Kloster besuchen kamen.

Im Süden gegen den Klostergarten waren Zimmer für die Kosttöchterlein, Mädchen ab 7 Jahren, die den Nonnen zur Erziehung und Schulung anvertraut wurden. Es kann sich dabei öfter um Halbwaisen gehandelt haben. Um 1666 zum Beispiel brachte ein Herr von Thurn aus St. Gallen sein siebenjähriges Töchterchen ins Namen Jesu-Kloster nach Solothurn, besuchte es wieder nach sieben Jahren und fragte seine nun 14-jährige Tochter ob sie lieber „by den lieben Schwesteren blyben oder in die böse Welt zurück kehren wölle?“ Natürlich wollte das Mädchen lieber bei den lieben Schwestern bleiben. Es muss eine intelligente, tüchtige Frau gewesen sein. Sie stand später als Frau Mutter einige Jahre der Klostergemeinschaft vor.

Bodenzinsen

Bevor ein meist erst 16-jähriges Mädchen nach rund zweijähriger Probezeit durch Gelübde sich für immer zum Ordensleben verpflichtete, musste zwischen Kloster und den Eltern der Novizin Abmachungen über die Mitgift getroffen werden. Aus heutiger Sicht könnte man es mit Erwerb einer Rente oder Versicherung auf Lebenszeit vergleichen. Die Mitgift richtete sich nach Stand und Vermögen der Familie, war aber auf jeden Fall billiger als eine Heirat. Das Kloster Namen Jesu nahm – im Gegensatz zu manch andern Klöstern – auch arme Bauernmädchen auf, die bloss ihre Arbeitskraft, Frömmigkeit und guten Willen mitbrachten.

Obwohl im 17. Jh. das Land zwischen der Ostmauer des Klosters Visitation bis fast zur Fegezallee, unterbrochen von Stadtbach und Unterer Steingrubenstrasse, dem Kloster Namen Jesu gehörte, reichte es bei den damaligen Bewirtschaftungsmöglichkeiten nicht aus, um die durchschnittlich 30-35 Schwestern und 3-4 Angestellte zu ernähren. Darum war das Kloster froh, wenn Novizinnen aus wohlhabenden Familien, besonders aus dem Solothurner Stadtpatriziat, Bodenzinsbriefe als Mitgift brachten. Das war eine Art Hypothek, die auf Grundstücken und Gebäuden haftete und nie abgelöst werden konnte. Der Zins war nicht in Geld, sondern in Naturalien zu entrichten, vor allem Getreide oder Butter und Käse und oft noch „iiii jungi unnd viii alti Hüener“. Das Getreide wurde nicht nach Gewicht, sondern nach Hohlmass bestimmt. So spielte es keine Rolle, ob das Getreide gut getrocknet sei. Im Gegenteil, feuchtere Körner sackten mehr zusammen als schön trockene. In schlechten Jahren hofften die Bauern auf das gute Herz der Nonnen.

Ein beliebter Zinstag war Martini, der 11. November. Da mussten die Bodenzinsbauern ihre Getreidesäcke in den Klosterestrich, das sogenannte Kornhaus hinauf tragen.

Ein Bodenzins auf einem Grundstück blieb durch Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte immer gleich hoch und war so jeder Geldentwertung entzogen mit der Begründung, der Wert des belehnten Landes nehme ja im Lauf der Zeit auch zu. Erst anfangs bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die alten Bodenzinsen abgelöst, das heisst in normale Hypotheken umgewandelt.

100 ruhige Jahre

Nach Ende des Dreissigjährigen Krieges, nachdem der kurze Bauernaufstand im Mittelland, Emmental und Entlebuch niedergeschlagen war, nach der für die Katholiken siegreichen Schlacht bei Villmergen, erlebte das Kloster 100 relativ ruhige Jahre. Solothurn hatte der Schwesterngemeinschaft 1642 eine aus der Bauzeit verbliebene Schuld erlassen, bescheiden verglichen mit dem, was man den neu entstehenden Klöstern St. Josef und Visitation zukommen liess. Trotzdem, Namen Jesu war nun aus der grössten finanziellen Bedrängnis heraus und es fehlte nicht an Neueintretenden, obwohl es in der kleinen Stadt Solothurn nun drei Frauenklöster gab. Aus diesen 100 Jahren ist in der grossen Klosterchronik wenig aufgezeichnet.

18. Jahrhundert

Das 18. Jahrhundert wurde geprägt von der roten Ruhr, der 1.Inventur, der Dachstocksanierung, dem Plan das Kloster in ein Spital unzuwandeln und der Franzoseneinfall wo das Kloster als Militärspital diente.

Die rote Ruhr

1769 kam vom nahen Bernbiet die rote Ruhr nach Solothurn, eine damals gefährliche Epidemie mit blutigem Durchfall. Ein Viertel der Klostergemeinschaft und eine alte Magd starben daran, 10 Todesfälle in einem halben Jahr. Die Kranken wurden von erfahrenen Schwestern um die Vierzig gepflegt. Die Toten wurden von den jüngsten Schwestern zur Beisetzung in der Kirche sauber bekleidet. Darum gab es unter diesen die meisten Todesfälle. In dieser argen Zeit wurden vermutlich zur Desinfektion die Gräber mit besonders viel ungelöschtem Kalk aufgefüllt.

Auch ausserhalb des Namen-Jesu-Klosters starben in Stadt und Umgebung viele an der roten Ruhr. Durch die zahlreichen Halb- und Vollwaisen entstanden für die Regierung belastende Sozialaufgaben.

Die 1. Inventur 1773

Durch die Aufklärung mit ihren freigesinnten, weltoffenen Ideen begann in Solothurn eine kritische Einstellung gegen die Klöster. Der erhoffte Reichtum der Klöster könnte der Stadt die seit 1769 grossen Soziallasten erleichtern.

1773 verlangte eine Spezialkommission die Vermögensverhältnisse des Klosters genau zu prüfen und zwar innerhalb der Klausur. Zum ersten Mal seit rund 150 Jahren mussten die Schwestern acht Männer in die Klausur einlassen. Während die einen Herren der UK die Klosterbuchhaltung auf Jahre zurück genau überprüften, inspizierte die andere Gruppe allen Besitz des Klosters von der Kornkammer bis in den Weinkeller und von Kirche und Sakristei bis in den Kuhstall.
Ergebnis dieser Inventur: „Wir nehmen euch nichts (= nicht mehr als bisher ) und geben euch nichts.“

Die Dachstocksanierung 1778-1780

1778-1780 mussten in drei Bauetappen die grossflächigen Klosterdächer total abgerissen und neu aufgebaut werden, denn viele Dachbalken waren morsch und verfault, die Ziegel schadhaft. Der St. Ursen-Baumeister Pisoni zeichnete gratis den Plan für die neuen Dachstühle des Ost-, Süd- und Westflügels. Ein wohlwollender Ratsherr schloss für das Kloster die Verträge mit den Bauhandwerkern ab und überwachte auch die Ausführung. Die Baukosten freilich gingen voll zu Lasten des Klosters. Über diese Dachsanierung berichtet die Klosterchronik ausführlich. Weil zum grössten Teil auch der Estrichboden neu gelegt werden musste, hatten in jedem der drei Baujahre jeweils 10-12 Schwestern für 7-8 Monate keine Zelle mehr und mussten für ihr Bett sonst wo im Kloster einen Platz suchen.

Um Taglöhne zu sparen und damit die Arbeit zügig vorwärts ging, halfen die Schwestern beim Eindecken des neuen Daches Dachlatten und Ziegel in den Estrich hinauf tragen. Dabei fiel eine Schwester vom provisorisch gedeckten Estrichboden in den 1. Stock hinunter. Der herbeigerufene Wundarzt kümmerte sich nur um das arg zerschlagene Gesicht. Dem schmerzenden Oberschenkel mass er keine Bedeutung bei. Er merkte nicht, oder wusste sich nicht zu helfen, dass das Bein gebrochen war. Der schräge Bruch wuchs falsch zusammen, so dass eine Knochenspitze dauernd ins umliegende Gewebe stach. Die restlichen gut 20 Jahre ihres Lebens konnte diese Schwester kaum mehr gehen vor Schmerzen, die man als Rheuma auslegte. Die Leidensursache zeigte sich erst bei der Grabaufhebung.

Der Abschluss jeder der drei Bauetappen wurde mit der Aufrichte gefeiert, ein gewöhnlicher arbeitsintensiver Tag ausser dass die 15-20 Bauarbeiter und Helfer den ganzen Tag vom Kloster verköstigt wurden. Allerdings mussten sie an diesem Tag schon morgens um 5 Uhr zum feierlichen Aufrichte-Gottesdienst erscheinen. In der Chronik ist genau aufgeschrieben, was die Arbeiter zu essen erhielten:

Zum Frühstück um 8 Uhr gab es Suppe, Brot und pro Arbeiter gut 3 dl Wein und dazu vermutlich noch frisches Wasser vom fliessenden Klosterbrunnen. Kaffee war damals noch ein Luxusgetränk. Die Kühe gaben weniger Milch als heute und die Milch konnte nicht haltbar gemacht werden.

Zum Mittagessen um 12 Uhr: Suppe, Brot und Wein. Dazu im einen Jahr Speck, geräuchertes Fleisch und Sauerkraut, im folgenden Jahr am fleischlosen Freitag nebst Suppe, Brot und Wein Knöpfli, gedörrte Apfelschnitze und Käse. Im letzten Baujahr 1780 Rindfleisch, Speck und Sauerkraut.

Zum Nachtessen bei Sonnenuntergang 1778: Suppe, Brot, Küchlein, Salat, Käse und pro Arbeiter ein halber Liter Wein. 1779: Suppe, Nudeln, Küchlein, Salat, Käse und 8 dl Wein. Danach waren die Arbeiter so munter, dass sie noch bis nachts 10 Uhr tanzten. Ein Maurer aus Bregenz spielte auf seiner Clarinette zum Tanz auf. 1780 gab es nebst Suppe und Brot Voressen, Pastete und Salat.

Das Kloster sollte Spital werden

Obwohl das Kloster den ganzen Dachneubau selber bezahlt hatte, schlugen 1784 Mitglieder der Solothurner Regierung vor, aus dem nun baulich sanierten Kloster ein Spital zu machen, denn das alte Spital am rechten Aareufer war baufällig geworden. Nach politischen Diskussionen ausserhalb und inständigem Gebet innerhalb des Klosters liess man die Namen-Jesu-Schwestern im Frieden.

Der Franzoseneinfall

Nach Ausbruch der französischen Revolution 1789 kamen Flüchtlinge nach Solothurn, vor allem Priester und Adlige und erzählten von den Gräueln und Massenhinrichtungen. Wegen der bedrohlichen Lage wurde den Schwestern erlaubt, sich für den Notfall Zivilkleider zu beschaffen und ein Bündel mit dem Nötigsten zur Flucht bereit zu halten

Am Vormittag des 3. März 1798 kämpften die Solothurner Truppen westlich der Stadt gegen die vordringende französische Armee. Auf Anraten der Kapuziner erlaubte die Oberin den Schwestern, die wollten und konnten, zu fliehen, östlich der Stadt mit der Fähre über die Aare, zu Fuss nach Deitingen, von dort mit Pferdefuhrwerken über St. Urban und Sursee nach Zug. Dazu brauchten sie drei Tage. Nach drei Wochen wagten sie nach Solothurn zurückzukehren.

In der Karwoche 1799 erhielten die Schwestern den Befehl, binnen zwei Tagen ihr Kloster zu verlassen und zu räumen. Es sollte ein französisches Lazarett werden. Die Namen-Jesu-Schwestern fanden freundliche Aufnahme im benachbarten Kloster Visitation.

19. Jahrhundert

Ins 19. Jahrhundert fallen nach der Rückkehr ins Kloster mit der Gründung der Schule für arme Mädchen, der Türmlibrand , der Plan aus dem Kloster eine Irrenanstalt zu machen, die 2. Inventur und die danach auferlegten übermässigen Steuern und die Auswirkungen des Kulturkampf und eine Kirchenrenovation.

Die Gründung der Schule für arme Mädchen

Als sich die Kriegsschauplätze aus der Schweiz nach Deutschland verlagerten, durften anfangs 1802 die Schwestern in ihr übel zugerichtetes Kloster zurückkehren, weil sie versprachen, eine unentgeltliche Schule für arme Mädchen zu führen. Werktags lernten 60-70 Mädchen lesen, schreiben, rechnen, stricken und nähen. Nach der Sonntagsmesse erhielten auch Frauen etwas Unterricht im Lesen und Rechnen. Bei den komplizierten, nicht dezimalen Mass-, Gewichts- und Geldeinteilungen war dies sehr nützlich.

Ein Dorn im Auge der liberalen Regierung war ab 1860 immer wieder die Klosterschule Namen Jesu. Die öffentlichen Schulen waren nun vom Staat finanziert. Wozu noch diese konservative Klosterschule! Doch manche Eltern legten Wert auf eine christliche Erziehung ihrer Töchter und für Mädchen aus der Nachbargemeinde Rüttenen war der Weg in die Klosterschule wesentlich kürzer. Die Nonnen begriffen, dass selbst in konservativen Kreisen ihnen allein die Schule eine Existenzberechtigung gab. Darum nahmen sie und ihre motivierten Katecheten die Kritik der liberalen Schulbehörde positiv auf und verbesserten vor allem die Schulräume, die Ausbildung der Lehrerinnen und übernahmen die Unterrichtspläne der städtischen Schulen.

Der Türmlibrand von 1824

Gegen Mittag am 10. Juli 1824 schlug ein Blitz, in den kleinen Glockenturm auf der Klosterkirche und von da in die Kirche hinunter, ein. Den Brand des Seitenaltars hatten die Schwestern rasch gelöscht. Das Feuer im Turm liess sich mit Eimern nicht löschen. Als die städtische Feuerwehr eintraf, brannte der Turm schon lichterloh. Zum Glück war es windstill und hatte zu regnen begonnen. Durch das von der Feuerwehr geöffnete Klausurtor am Stadtbach an der Untern Steingrubenstrasse strömte mit der Feuerwehr eine Menge Leute ins Klausurgelände und ins Kloster. Geübte Männer bekämpften mit Schlauch-Feuerspritzen und Feuerhaken den Brand. Alle übrigen Erwachsenen und Kinder mussten auch löschen helfen. Männer schöpften mit Eimern Wasser aus dem gestauten Stadtbach und reichten sie einander weiter bis zum Brandherd oder zur Feuerspritze. Frauen und grössere Kinder reichten die leeren Eimer zurück bis zum Stadtbach. Weil dieser Brand eine Gelegenheit war, in den sonst streng verschlossenen, geheimnisvollen Klosterbezirk hereinzukommen, wimmelte es von Hilfskräften. Man befürchtete, die 400 kg schwere Glocke könnte aus dem brennenden Glockenstuhl durch das Gewölbe in die Kirche hinunterstürzen. Es gelang der Feuerwehr sie abzuhängen und auf den Estrichboden zu stellen. Mit Feuerhaken und Ketten wurde der brennende Turm übers Ziegeldach auf die Wiese neben dem Kloster herabgestürzt. Dort und am Dachfirst oben war nun der Brand ziemlich rasch gelöscht. Die hungrigen und vor allem durstigen Helfer verzehrten alle Vorräte des Klosters an Brot, Käse und Wein.

In Solothurn war die Gebäudebrandversicherung obligatorisch. Dass der neue Kirchturm von der Brandversicherung bezahlt werden musste, war klar. Aber die zersprungene Glocke durch eine neue ersetzen? Die Mehrheit entschied schliesslich, die Glocke gehöre zum Mobiliar, nicht zum Gebäude. Fürs sonst sehr einfache Mobiliar war das Kloster nicht versichert.

Plan für eine Irrenanstalt

1849, ein Jahr nach dem Sonderbundskrieg und der Umwandlung des eidgenössischen Staatenbundes in einen Bundesstaat beschloss der Kleine Rat des Kantons Solothurn (Exekutive) aus dem Kloster Namen Jesu eine Irrenanstalt zu machen wie es die Aargauer mit Königsfelden getan hatten. Jede Schwester sollte in heutigem Geldwert eine einmalige Abfindungssumme von rund Fr. 10’000 erhalten und sich damit für den Rest ihres Lebens in einem andern Kloster oder bei Verwandten ein Unterkommen suchen. Die Schwestern baten inständig Gott um Hilfe. Im Grossen Rat (Legislative) wurde der Beschluss des Kleinen Rates knapp verworfen und auf dem Grundstück Rosegg eine zweckmässigere Irrenanstalt gebaut.

1851: Amtliche Inventaraufnahme im Kloster – 2. Inventur

Während einige Sachverständige die Klosterbuchhaltung auf Jahre zurück genauestens überprüften, liefen „drei Männer in allen Zellen und Ecken herum. …
Sie schlugen mit der Faust auf die Laubkissen und griffen den Laubsack (ob nicht Geldstücke usw. darin versteckt seien.) Sie fragten, ob alle Betten so wären? Wir sagten ja, die Regel schreibt uns so vor, und wir sind gar wohl zufrieden, recht gesund und heiter dabei. Sie verwunderten sich gar sehr und sagten, … wo wir denn sterben? Wir sagten, auf unserm Laubsack, darüber sind sie ganz blass geworden.“ (wörtlich aus der Klosterchronik S.119)

Steuerschraube

Diese Laubsackbetten wurden für die Vermögenssteuer nach heutigem Geldwert auf Fr. 1’000 geschätzt. Nach 1851 wurden während fast 100 Jahren die Klöster im Kanton Solothurn durch Steuern ganz zu verarmen gesucht. Nebst der ordentlichen Staats- und Gemeindesteuer hatten sie eine Sonder-Schulsteuer zu bezahlen, obwohl das Kloster unentgeltlich eine Schule führte. Die jährliche Steuer vom Vermögen in toter Hand war ein Ersatz für die wegfallende Erbschaftssteuer beim Tod einer Schwester, denn die einzelne Schwester besass kein Vermögen, nur das Kloster als Gemeinschaft.

Kulturkampf

Im sogenannten Kulturkampf waren es vor allem die Frauen, die statt zu streiten, handelten. In den neugegründeten Kongregationen suchten sie in Schule und Krankenpflege soziale Probleme zu lösen und mit neuer religiöser Innigkeit die hitzigen oder sturen weltanschaulichen Auseinandersetzungen zu befrieden. Darum entschlossen sich viele junge Frauen für ein Leben in einer religiösen Gemeinschaft. Zudem war für junge Frauen aus Bauernfamilien der Klostereintritt die fast einzige Möglichkeit zu Weiterbildung und sozialem Aufstieg.

Aus dem spirituellen Aufbruch des Kulturkampfs renovierte das Kloster Namen Jesu trotz seiner Armut seine Kirche: neue Orgel, neue Altarbilder vom Innerschweizer Maler Deschwanden und sogar farbige Kirchenfenster im neugotischen Stil. Damit die Kirche heller werde, wurde ein Stück des Deckengewölbes herausgebrochen und Glas eingesetzt, unbekümmert um die Statik des Gewölbes. 100 Jahre später drohte deswegen ein Gewölbeeinsturz. Bei dieser Kirchenrenovation wurden die Schwestern von Laien finanziell kräftig unterstützt.

Erschwerte Aufnahme von „Nicht-Solothurnerinnen“

Nach dem Franzoseneinmarsch 1798 wurde allen Klöstern verboten neue Mitglieder aufzunehmen. Ab 1803 war die Aufnahme von Solothurnerinnen mit Genehmigung der Regierung wieder erlaubt. Dieses Gesetz wurde je nach politischer Wetterlage bald strenger, bald grosszügiger gehandhabt.
1877 wünschten drei Innerschweizerinnen und drei Aargauerinnen ins Kloster Namen Jesu einzutreten. Nach mehrmonatiger Probezeit ersuchte das Kloster die Regierung um Aufnahme von vorerst drei Nicht-Solothurnerinnen. Lange kam keine Antwort. Das Datum der Aufnahmefeier wurde festgesetzt und die Eltern dazu eingeladen. Am Abend vor der Aufnahmefeier kam die abschlägige Antwort. Alle sechs Nicht-Solothurnerinnen mussten wieder in ihren Heimatkanton zurück.

20. Jahrhundert

Das 20. Jahrhundert ist geprägt von grossen Veränderungen, der Neuaufbruch nach dem 2. Vatikanum, die Lockerung der Klausur, die Kirchenrenovovationen von 1922 und 1970, die Gründung der Föderation St. Klara, die Aufgabe der Landwirtschaft und der Schule, die Gründung und Aufgabe der Herstellung von Naturheilmitteln.

Neuaufbruch

Der 1. und 2. Weltkrieg brachten einschneidende politische, weltanschauliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen. Dadurch änderte sich die Stellung der und die Einstellung zu den christlichen Kirchen. Sie waren auch im westlichen Europa immer weniger Volkskirchen. Das 2. Vatikanische Konzil versuchte Antworten auf diese neuen drängenden Fragen zu geben.

In manchen Klöstern wurden rund ums Konzil Neuerungen und zeitgemässe Anpassungen vorgenommen: Das Brevier (Psalmengebet und Bibellesungen) wird deutsch gebetet oder gesungen und gekürzt, um mehr zusammenhängende Arbeitszeit zu erhalten. Die Klausur wird gelockert und die Leitung der Klostergemeinschaft demokratisiert, manche alte Bräuche abgeschafft.

Wissend um den Wert des Alten und Vergangenen für die Gestaltung der Zukunft, sammelten Sr. Martha Walker und Sr. Franziska Lötscher unter der fachkundigen Anleitung des damaligen Angestellten Norbert May alte Gebrauchsgegenstände, Werkzeuge und Devotionalien, Daraus entstanden ein Sach- und ein Sakralarchiv.

Sonja-Victoria Werner sammelte und ordnete alte Schriftstücke im Klosterarchiv, schrieb die Klosterchronik und weitere handgeschriebene alte Dokumente in heutige Schrift um, technisch unterstützt von Andreas Röder und fachlich von Dr. Kully.

Föderation St. Klara

1968 schlossen sich vorerst 8 Kapuzinerinnenklöster der Zentral- und Westschweiz zu einer Föderation zusammen, 7 ostschweizerische traten etwas später ebenfalls der Föderation St. Klara bei. Als Verband war es möglich im aufstrebenden Afrika zwei neue einheimische Kapuzinerinnen-Gemeinschaften zu gründen in Maua/Tansania und in Donia/Tchad.

Neue Aufgaben

1969 wurde die Klosterschule aufgehoben, als wirtschaftlich belastend und aus Mangel an Lehrschwestern. Denn die eine war 1967 zur Frau Mutter gewählt worden und Sr. Franziska Lötscher, diplomierte Krankenschwester und Lehrerin, wurde dringend gebraucht, um im jungen Föderationskloster in Donia/Tchad eine Medikamenten-Abgabestelle (Dispensaire) zu übernehmen. Dank Sr. Franziskas Organisationstalent und fachlicher Tüchtigkeit wurde innert wenigen Jahren daraus ein Buschspital zwar ohne Arzt. Der nächste, 50 km entfernt, war in der Regenzeit oft tagelang nicht erreichbar. So tat Sr. Franziska mit ihrem Stab an einheimischen, angelernten Helfern ihr möglichstes gegen Malaria, Amöben, eine Choleraepidemie, Richten von einfachen Brüchen, Wundbehandlung, besonders die häufigen schweren Brandwunden, Geburtshilfe, Mütter- und Säuglingsberatung. Ein Labor mit Mikroskop halfen bei der Diagnose. Medikamente und Verbandsmaterial wurden aus der Schweiz direkt oder via Frankreich geliefert, finanziert vor allem durch die Klöster Montorge in Fribourg, Namen Jesu in Solothurn und wohlgesinnte Ärzte. Junge Afrikanerinnen wurden geschult, um nach ihrer Heirat in 10-20 km entfernten Dörfern erste Hilfe zu leisten. Im Bürgerkrieg wurde dann das alles zerstört.

Aufgabe der Landwirtschaft

1971 wurde die durch den Wegfall des Kantonsschulareals defizitär gewordene Landwirtschaft liquidiert, das Land einem Bauern verpachtet und in den folgenden 30 Jahren etappenweise das ausserhalb der Klausurmauern gelegene Land der Stadt Solothurn verkauft: Der Erlös dient der überalterten, von keiner Seite unterstützten Klostergemeinschaft nun als „Pensionskasse“. Doch ist sie ungenügend und Anlass zu Sorgen nicht nur für die personelle, sondern auch die finanzielle Zukunft des Klosters.

Naturheilmittel

Anfangs des 20. Jahrhunderts, als das Kloster finanziell ums Überleben kämpfte, begann es auf Anregung der versierten Schwester Juliana Holenstein mit Verarbeitung und Vertrieb selbst angepflanzter Heilkräuter. Diese Naturheilmittel fanden mit der Zeit einen immer grössern Kundenkreis und waren eine sichere Einnahmequelle bis in den 60er Jahren die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel immer mehr Schwierigkeiten bereitete und schliesslich mit der Forderung nach einer diplomierten Apothekerin diesem Erwerbszweig ein Ende setzte. Die Hirschapotheke in Solothurn bietet noch einige dieser Naturheilmittel an.

Hostienherstellung

Nach 1960 wurde die Herstellung von Brothostien eine willkommene und klösterlich angemessene Verdienstquelle. Mit dem rückläufigen Kirchenbesuch der Christen geht auch der Umsatz zurück. Das Kloster beliefert ökumenisch aufgeschlossen nicht nur römisch katholische Pfarreien, sondern auch christkatholische, anglikanische und gelegentlich sogar reformierte.

Kirchenrenovationen

1922

Um die Kirche nochmals heller und freundlicher zu gestalten, wurde sie 1922 frisch geweisselt und die bisher grauschwarzen Altäre rötlich marmoriert. Die grauen Grabplatten im Gang und im Altarraum wurden mit beigen Sollhofer- Fliesen zugedeckt, denn bis 1918 waren die Schwestern in der Kirche beerdigt worden.

1970-72

1970-72 musste der äussere, öffentliche Teil der Klosterkirche geschlossen und gründlich restauriert werden. Der Scheitelpunkt des Deckengewölbes hatte sich stellenweise abgesenkt und einige Steine daraus waren heruntergefallen. Zu dieser Totalsanierung mussten die Altäre entfernt werden. Die Klostergemeinschaft entschloss sich, anstelle des bisherigen Hochaltars aus dem 18 Jh. mit Deschwanden-Retabel aus dem 19.Jahrhundert das überlebensgrosse Kruzifix aufzurichten, entstanden kurz vor der Reformation. Die Klosterkirche wurde 1618-20 noch im gotischen Stil erbaut. So passt das spätgotische Kruzifix gut hinein.

Nach alter klösterlicher Überlieferung soll es Albrecht von Nürnberg geschnitzt haben – wie auch den Berner Christoffel – und zwar für das Berner Münster. Andere Kunsthistoriker schreiben es dem Wahl-Solothurner Hans Tussmann zu. Auf jeden Fall ist der über 4 m lange Leib Christi aus einem einzigen Lindenholzstamm geschnitzt über 100 Jahre älter als das Kloster. Schriftlich belegt stand das Kreuz seit anfangs des 18. Jh. an der Südfront des Klosters und reichte vom Boden bis unters vorspringende Dach. So war es nur etwas gegen Regen geschützt. Nach 1960 musste das Kruzifix von der Aussenfront entfernt werden, um es vor dem Zerfall zu retten. Dies dominierende Kreuz an Stelle des einstigen Hauptaltars verlangte auch eine andere Lösung für die aus verschiedenen Epochen zusammengesetzten Seitenaltäre. Ihr historisch wertvollster Bestandteil, zwei Sarkophage, befinden sich nun im Museum Blumenstein.

21. Jahrhundert

Im 21. Jh. im Hinblick auf die gravierende Überalterung wurden um die Jahrtausendwende am Klostergebäude diverse bauliche Anpassungen vorgenommen. (z. B. Lift). Was wird die Zukunft bringen?

Bauliche Anpassungen

Ende des 20., anfangs des 21. Jh. wurde im Kloster baulich einiges angepasst, um alte, hilflos gewordene Schwestern bis zu ihrem Tod betreuen zu können: einige rollstuhlgängige Zellen, Toiletten und Nassräume, eine Teeküche im 1. Stock und ein Lift. Mit der Denkmalpflege kam man überein, dass ein gläserner Aussenlift die alte Bausubstanz am wenigsten tangiere.

Zukunft der Gemeinschaft?

Die Beginen des Mittelalters hatten zwischen Individualismus und Eingebundensein in eine religiös ausgerichtete Gemeinschaft einen Ausgleich gefunden. Sie waren an gemeinsames Gebet und eine Hausordnung gebunden, aber nicht durch Gelübde auf Lebenszeit. Ihre Lebensordnung konnten sie zeitlichen und örtlichen Verhältnissen anpassen. Durch Arbeit ausserhalb ihrer lockern Wohngemeinschaft blieben sie mit der Aussenwelt in bodenständigem Kontakt. Aus diesen Beginen sollten vor 400 Jahren Nonnen werden. Aus Geist und Spiritualität der Gegenreformation nach dem Konzil von Trient entsprach die Gründung des Namen-Jesu-Klosters dem Bedürfnis mancher gottsuchenden Mädchen. Ein solches (zeit)intensives Gebetsleben, von der Aussenwelt abgeschlossen machte auch für die damalige Gesellschaft Sinn. Doch heute? Ob die Zukunft wieder Richtung Beginen geht, Neuauflage im 21. Jahrhundert?